Digital second wäre schon genug

Digitalisierung begann in den 1970er-Jahren mit den ersten digitalen Systemen. Die Speicherung von Daten in digitalem Format ermöglichte eine einfache Wiederverwendung und die Automatisierung einfacher Prozesse erlaubte es, bekannte Verfahren ohne Rechenfehler in kurzer Zeit auf große Datenmengen anzuwenden.

 Der wirkliche Durchbruch der digitalen Technologie entwickelte sich jedoch erst in den 1990er-Jahren durch das kommerzialisierte Internet. Speicherung, Verarbeitung und Austausch von Daten verursachten in Kombination den größten Technologiesprung der menschlichen Geschichte. Die Zyklen der technologischen Erneuerung verkürzten sich so stark, dass Unternehmen, welche heute noch modernste Technologie einsetzen, in einem Jahr schon völlig abgehängt sind. Angekommen im Jahr 2020 sind die vollständige Digitalisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen und der vollständig digitale Austausch von Daten in der Welt der Unternehmen kein Zeichen von Innovation mehr, sondern vielmehr die Grundlage für eine Wettbewerbsfähigkeit. Nur einer widersetzt sich äußerst hartnäckig der neuen digitalen Zeit…der Staat!

Die Tatsache, dass in unserer modernen Zeit immer noch kein System für die digitale Kommunalverwaltung bereitgestellt wird, ist nicht weniger als ein größtmöglicher Skandal. Dem Bürger abzuverlangen, dass er, trotz der vorhandenen technischen Möglichkeiten, seinen Berufs- und Familienalltag über den Haufen wirft, nur um persönlich bei einer Behörde vorstellig zu werden, um dort Zeuge einer maximal ineffizienten manuellen Bearbeitung zu werden, ist nichts weniger als eine Respektlosigkeit vor unserer wertvollen Lebenszeit. Zu rechtfertigen ist diese urzeitliche Verfahrensweise durch kein existentes Argument.
Die Problematik beginnt schon bei der Authentifikation. Im Bankenwesen existieren seit Jahrzehnten hochgradig optimierte Verfahren zur Authentifikation und Autorisierung von digitalen Kunden, welche selbst Transaktionen in Millionenhöhe absichern können. Anstatt ein eigenes, unsicheres und unbekanntes System zur digitalen Authentifikation mittels Personalausweis-Scanner zu entwickeln, könnte auf hochoptimierte bestehende Technologie zurückgegriffen werden.

Dadurch wäre zumindest der Weg für eine digitale Übermittlung von Anträgen frei. Der Vorgang ist selbstverständlich nur ein Angebot, wer sich, beispielsweise aufgrund seines Alters, nicht auf den digitalen Weg einlassen kann oder will, kann weiterhin den bekannten persönlichen Gang in die Kommunalverwaltung tätigen. Gleiches gilt für Datenschutzbedenken, jedoch sollte an dieser Stelle der Gedanke verfolgt werden welches Szenario das größere Datenschutzproblem darstellt:

Das persönliche Erscheinen in einer Behörde vor den Augen aller anderen Wartenden mit anschließendem Ziehen einer Nummer und Warten vor einer Tür, welche zwangsläufig Rückschlüsse auf den Grund des Besuchs zulassen?

Oder eine abgesicherte digitale Kommunikation, welche schlussendlich den gleichen Datensatz im System erzeugt wie der persönliche Kontakt? Wer an dieser Stelle immer noch datenschutztechnische Bedenken hat, kann gerne den persönlichen Weg wählen. Diesen Service der digitalen Übermittlung deshalb jedoch für alle übrigen zu verwehren ist allerdings nicht nachvollziehbar. Die technischen Grundlagen sind längst geschaffen, mit minimalem Individualisierungsaufwand lassen sie sich auf den kommunalen Anwendungskontext übertragen. Wer will kann dies bei minimalem Kostenaufwand innerhalb von wenigen Wochen bereitstellen.

Der finale Schritt besteht in der Automatisierung der Geschäftsprozesse. Wer hier eine optimale Welt bestaunen möchte, kann einen Blick auf Estland werfen. Dort werden Steuererklärungen  nicht innerhalb von 3 Minuten bearbeitet, weil die dortigen Beamten um einen Faktor 1.000.0000 (konservative Schätzung) schneller sind, sondern, weil es gar keine dortigen Beamten mehr gibt.

Dagegen lassen sich durchaus valide Argumente sammeln. Es verlangt jedoch keiner eine sofortige Automatisierung aller Prozesse mit anschließender Kündigung aller bisherigen Mitarbeiter.

Digitalisierung führt in erster Linie dazu, dass sich Menschen mit sinnvolleren Aufgaben als stupider Routinearbeit beschäftigen können. Beispielsweise könnten unsere bisherigen Finanzbeamten den Prozess der Steuerlasterfassung vereinfachen, um dadurch mit ihrem Fachwissen die Digitalisierung weiter zu optimieren.

Falls dadurch Arbeitsplätze verschwinden, können diese in Form eines langjährigen Prozesses, durch den Verzicht auf Neubesetzung, abgebaut werden ohne, dass es zu Kündigungen kommt. Die Prozessdigitalisierung ist kein Feind des bisherigen Angestellten, sie führt stets zu einer höheren Effizienz und Wertschöpfung. Die verschiedenen Fähigkeiten und Talente der Mitarbeit werden dadurch niemals überflüssig, sondern überhaupt erst richtig nutzbar gemacht. In keinem Fall sind Vorbehalte gegenüber Prozessdigitalisierung ein Argument gegen eine generelle Digitalisierung der Verwaltung. Auch hier bietet der Markt seit Jahrzehnten erprobte Technologien, welche weit über das hinausgehen, was in der kommunalen Verwaltung benötigt wird.

Jetzt liegt die Frage nahe, warum diese ganzen wundervollen Technologien nicht verwendet werden, obwohl sie einfach und kostengünstig für die kommunale Verwaltung zu verwenden wären und kein Argument dagegen spricht. Eine sinnvolle Antwort auf diese Frage existiert nicht. Ein Tool zur einfachen Übermittlung der gängigen Anliegen wäre durch eine Ausschreibung innerhalb kürzester Zeit zu realisieren.

Man muss es nur wollen.


Über den Autor: Felix Kibellus

Felix Kibellus (Geb. 1993) hat Informatik an der Goethe Universität in Frankfurt am Main studiert und arbeitet als Consultant in einem IT Startup. Ihr erreicht ihn unter kibi500@julis.de.

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