DER KONFLIKT ZWISCHEN UMWELT UND ENERGIE – LÖSUNG MÖGLICH ?

Wer erinnert sich nicht daran? Noch vor wenigen Jahren bezogen sich Diskussionen im Energiebereich vor allem auf die Sorge, die Energiequellen der Welt könnten bald erschöpft sein.

Heute wird die Begrenztheit der fossilen Energieträger nicht mehr als das alleinige Problem angesehen. Die Vorräte dieser Energieträger – im wesentlichen Kohle, Mineralöl und Erdgas – werden mittlerweile etwas reichhaltiger und ihre Förderung nicht mehr so teuer eingeschätzt wie noch in den 70er Jahren.

Verstärkt in den Mittelpunkt des Interesses gerückt sind hingegen zuletzt die sich immer deutlicher abzeichnenden globalen ökologischen Konsequenzen der Energieerzeugung und -nutzung.

Wenn man sich die Zusammenhänge zwischen Energie und Umwelt vergegenwärtigt, wird schnell deutlich, daß die Deckung des Energiebedarfs schon seit Verwendung des Feuers zu Umweltbelastungen geführt hat.

Beginnend mit der Rohstoffgewinnung und noch durch die Energieumwandlung
• durch Verbrennung fossiler Energieträger
• durch Nuklearanlagen
• bis hin zu Energieleistungen
sind jeweils spezifische Beeinträchtigungen der natürlichen Umwelt festzustellen.

Zugespitzt hat sich diese Problematik jedoch durch den Zusammenhang zwischen
• wachsender Weltbevölkerung und
• steigendem Energiebedarf.

So haben 1960 3 Mrd. Menschen weltweit fünf Mrd. Tonnen SKE an Primärenenergien verbraucht. Bis 1988 ist die Weltbevölkerung auf etwa fünf Mrd. Menschen angewachsen, der Primärenergieverbrauch hat sich in diesem Zeitraum nahezu verdoppelt.

Bis zum Jahre 2020 wird die Weltbevölkerung wahrscheinlich auf ungefähr acht Mrd. anwachsen. Wird es der Menschheit gelingen – in umweltverträglicher Form – den dann von ihr benötigten Energiebedarf noch zu decken ?

Ich bin sicher:
wenn wir heute unser herkömmliches Energieversorgungs- und Nutzungssystem nicht beginnen umzustellen, dann hat die Gesellschaft von morgen nicht einmal den Hauch einer Chance, daß ihr dies gelingt.

Besonders besorgniserregend ist für mich der schnelle Anstieg des CO2 – Gehaltes in der Atmosphäre, da sich hierdurch Klimaveränderungen globalen Ausmaßes abzeichen.

Es darf jedoch nicht angehen, daß so einige von denen, die heute die negativen Auswirkungen kohle-,gas- und ölbefeuerter Kraftwerke auf das Weltklima anprangern, dies eigentlich nur tun um anschließend die Kernkraft als „saubere“ Lösung aus dem Ärmel zu ziehen.

Denn niemand kann die Risiken im Zusammenhang mit der nuklearen Energieversorgung in Abrede stellen, mag die Wahrscheinlichkeit des Ernstfalles auch sehr unterschiedlich eingeschätzt werden.

In aller Deutlichkeit muß gesagt werden:
Ein Ersatz fossil befeuerter Kraft durch den Zubau von Kernkraftwerken ist keine Lösung, sondern ein weiterer Schritt in die energiepolitische Sackgasse. Einen weiteren Zubau der Kernenergie darf es nicht geben.

Allerdings: Gleich den Sofortausstieg zu fordern wie es rot und grün schön plakativ tun – halte ich für unredlich, da wir schlicht und ergreifend heue noch keine ausreichenden Alternativen haben. Solange uns nicht andere Energiequellen unter vertretbaren ökologisch und ökonomischen Bedingungen zur Verfügung stehen, ist kein sofortiger und endgültiger Ausstieg möglich. Es gilt daher, auf einen kontinuierlichen Ausstieg aus der Kernenergie hinzuarbeiten;
allerdings darf dieser nicht auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben werden.

Bei Betrachtung der Vorgehensweise der energiepolitisch Verantwortlichen scheint es oft,als würden sie sich von den „Übeln“ der Energieversorgung
-Risiken der Kernenergienutzung
-weltweite Klimaveränderung und
-Knappheit fossiler Energieträger
jeweils das heraussuchen, welches sich gerade am Öffentlichkeitswirksamsten vermarkten läßt.

Doch: kurzfristig wechselnde – sich vor allem am jeweiligen öffentlichen Meinungstrend orientierende
-politische Entscheidungen sind hier fehl am Platze.

Die drohende energiepolitische Dilemma-Situation macht es notwendig, daß Lösungen entwickelt werden, die den globalen Zusammenhängen der Energieversorgung und ihren langfristigen Perspektiven Rechnung trägt.

Geboten ist daher einer vorausschauenden, langfristig orientierte, globale Politik für eine sichere, bezahlbare und umweltverträgliche Energieversorgung der Zukunft.

Nicht zuletzt der Zwischenbericht der Enquete-Kommission des Bundestagen „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ zeigt für eine solche Energieversorgung zwei grundsätzliche Wege auf:

  1. den Weg der umfassenden Energieeinsparung
  2. den Weg der verstärkten Nutzung regenerativer Energieträger.

Der rationelle und sparsame Umgang mit Energie ist ein entscheidender Beitrag zur Verhinderung der befürchteten weltweiten Klimaveränderungen.

Der Energieeinsparung kommt dabei zur Erreichung der energie- und umweltpolitischen Ziele besondere Bedeutung zu,

Je schneller umfassende Energieeinsparungen realisiert werden, desto schneller ist auch ein Ausstieg aus der Kernenergie erreichbar.

Neben den Einsparungen im Strombereich (Tarifstrukturänderungen bei den Strompreisen, stromsparende Geräte etc.) sind vor allem Einsparungen im Bereich der Heizenergie notwendig, am schnellsten realisierbar und bringen den größten Effekt, da allein über 40% des Endenergieverbrauchs für die Warmwasserbereitung und die Beheizung von Gebäuden verwendet werden. Hier bietet sich beispielsweise der Bau von sogenannten „Niedrig-Energie-Häusern“, von Passiven Häusern ohne jeglichen Heizwärmeverbrauch, die Verbesserung der Wärmedämmung bei bestehenden Bauten, u.v.a.m. an.

Erneuerbare Energien wie Wind, Sonne, Wasserkraft, Biomasse und Erdwärme sind weitgehend umweltfreundlich.

Als Alternative zur Verbrennung fossiler Energieträger und zur Nutzung der Kernenergie, können die regenerativen Energieträger bei der zukünftigen Energieversorgung eine Schlüsselrolle spielen.

Sie können die Energieversorgung auf eine breite Grundlage stellen, die knappen fossilen Energieträger schonen und die Belastung von Wasser, Boden und Luft vermindern.

Die Bejahung erneuerbarer Energieträger verpflichtet uns aber auch zu einer nüchternen Betrachtung ihrer derzeitigen Möglichkeiten.

Erneuerbare Energie, besonders Sonne und Wind stehen nicht kontinuierlich zur Verfügung, klimatische und meteorologische Rahmenbedingungen setzen ihnen zumindest hier in der Bundesrepublik Deutschland deutliche Grenzen. Ihre Leistung- und Energiedichten sind gering, ein großer Flächenbedarf ist für ihren Einsatz notwendig. Dazu nur ein Beispiel: Um einen einzigen großen Kraftwerksblock von 1300 Megawatt durch die heute üblichen 100-Kilowatt Windgeneratoren zu ersetzen, müßten 13 000 dieser Anlagen errichtet werden, wobei die begrenzte zeitliche Verfügbarkeit noch unbeachtet bleibt.

Der technisch mögliche Beitrag der erneuerbaren Energiequellen zur Energieversorgung ist beachtlich, ihr wirtschaftliches Potenzial dagegen weit geringer und wird wesentlich von der allgemeinen Energiepreisentwicklung und der Kostenentwicklung der Techniken zur Nutzung erneuerbaren Energien bestimmt.

Bei der derzeitigen Situation:
-reichliches Energieangebot
-zu niedrigen Preisen
sind die meisten erneuerbaren Energien nicht konkurrenzfähig, wenn auch im Einzelfall große Unterschiede bestehen.

Eine der Umwelt verpflichtete Energiepolitik darf sich jedoch von technologischen und wirtschaftlichen Problemen nicht die Sicht darauf versperren lassen, daß den regenerativen Energiequellen langfristig die Zukunft gehören muß. Wirtschaftlichkeitsberechnungen,die die beispielsweise durch die Verbrennung fossiler Energieträger hervorgerufen Umweltbelastungen nicht in die betriebswirtschaftliche Kalkulation mit einbeziehen und damit Sonne, Wind und Wasser ins energiepolitische Abseits schieben,
verdienen ihren Namen nicht

Für eine umweltgerechte Energieversorgung ist somit zusammenfassend zu fordern:

  1. In der Forschungspolitik müssen notwendige Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsvorhaben zur Förderung erneuerbarer Energien uneingeschränkt gefördert werden.
  2. Ebenso gilt es, alle Maßnahmen in einer rationelleren Energienutzung weiter zu fördern. Das heißt, unnötigen Energieverbrauch beispielsweise durch Überheizung von Räumen und durch Leerlauf von Maschinen und Anlagen zu vermindern, das bedeutet beispielsweise die Notwendigkeit einer besseren Wärmedämmung bei Gebäuden und eine breite Information der Öffentlichkeit über Energieeinsparungsmöglichkeiten im Alltag.
  3. Darüber hinaus sind die Nutzungsgrade bei der energieumwandlung weiter zu verbessern, denn noch immer gehen zwei Drittel der bei der Stromerzeugung eingesetzten Primärenergie beispielsweise in Form von Abwärme und Leitungsverlusten verloren. Wir müssen daher verstärkt auf die umweltentlastede Wirkung der Kraft-Wärme-Kopplung setztem, also die Auskopplung von Heizwärme aus verbrauchernah gelegenen Kraftwerken zur Einspeisung in Nah- bzw. Fernwärmenetzen nutzen.
  4. Eine möglich ökologische Energienutzung wird in zunehmendem Maße eine Änderung von liebgewordenen, aber ineffizienten und damit umweltschädlichen Gewohnheiten und eingefahrenen Verhaltensmustern von uns verlangen.

Last but not least sollte sich somit jede(r) von uns fragen, ob sie (er) die Energie, die sie (er) verwendet nicht in Wirklichkeit verschwendet.

Von Jürgen Lange, Oktober/November 1989

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