EINE GEGENSTIMME ZU EUROPA

Wir Jungen Liberalen sind uns einig, dass Europa ein großartiges Projekt ist, das uns Frieden, Freiheit und Wohlstand bringt. Gemeinsam mit der FDP kämpfen wir daher für einen Kontinent der Chancen. Leider vertreten einige Bürgerinnen und Bürger diesen Standpunkt nicht. Doch welche Themen bringen die EU ins Schwanken und warum zweifeln so viele an der europäischen Idee.

Der chinesische General und Militärstratege Sunzi sagte einmal: „Wenn du dich und den Feind kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten.“ (500 v. Chr.). Wer ist also unser Feind, der mit uns in die symbolische Schlacht des Europawahlkampfs, zieht?

Laut Duden ist ein Feind jemand, der etwas entschieden bekämpft. Unsere Feinde sind also diejenigen, die Europa bekämpfen und unser Schlachtfeld ist die diesjährige Europawahl. Um diesen Kampf erfolgreich gewinnen zu können, müssen wir die Strategien, Motivationen, Waffen und Stärken unserer Gegner kennen. Aus diesem Grund soll sich dieser Artikel der Gegenstimme zu Europa widmen und die Standpunkte all‘ derjenigen durchleuchten, die Europa mit Krisen, Bürokratie und Fremdbestimmung in Verbindung setzen.

Der Euro als Gemeinschaftswährung war keine Erfolgsgeschichte

Die Europäische Währungsunion (EWU) befand sich nur 10 Jahre nach Einführung des Euros als

Gemeinschaftswährung, in einer schweren Krise. Während in den 2000ern der Euro mit „mehr Chancen und mehr Hoffnung“ (Kostas Simitis), „noch besseren Zeiten für Deutschland“ (Gerhard Schröder), als „ein Sieg Europas“ (José Maria Aznar) und als „ein Wohlfahrtsprogramm“ (Hans Eichel) angepriesen wurde, spricht man heute wohl eher von eine „Schönwetterwährung“. Die obersten Zielsetzungen der EZBS (Europäisches System der Zentralbanken) lauten: Preisstabilität und die Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft. Doch wie glaubwürdig sind diese Zielsetzungen noch, wenn südeuropäische Länder fernab von Wettbewerbsfähigkeit sind und die Rettung eines Landes die gesamte Konstitution Europas destabilisiert? Gesprochen wird von der Eurokrise in den Jahren 2009/2010. Die unzureichende Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP), sowie die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 führten zu einer hohen Staatsverschuldung in den Ländern Griechenland, Irland, Portugal, Zypern, Italien und Spanien. Durch die gemeinsame Eurowährung ließ sich die Verschuldung nicht mehr, wie früher üblich, über die Abwertung der eigenen Währung (Drachme, Lira, Peseta, etc.) kompensieren. Schlussendlich musste Griechenland mit vielen Milliarden gerettet werden. Solche Rettungsaktionen und die Nullzinspolitik der EZB führten zu einer Art Schuldensozialisierung bzw. Vergemeinschaftung. Die Verluste beim Staatsbankrot liegen jetzt bei der EZB, mit Deutschland als Hauptgläubiger. „Die Moral von der Geschicht“: Beim Euro handelt es sich wohl eher um ein Sorgenkind, als um eine Erfolgsgeschichte. Keine gute Referenz für Europa. 

Freiheit statt Sicherheit?

Es ist unbestritten, dass das „Schengener Abkommen“ aus dem Jahr 1985 oder der „Vertrag von Maastricht“ aus 1992 als Meilensteine der Europageschichte bezeichnet werden können. Die Öffnung der Grenzen und die vertraglichen Vereinbarungen zur gemeinsamen Zusammenarbeit aller europäischen Länder waren die Konsequenz. Reisefreiheit, ein offener Arbeits- und Binnenmarkt, europäische Bildungsprogramme wie „Erasmus“ oder die neuen Regelungen zu den Roaming-Gebühren sind nur einige Vorteile der EU. Doch ist diese Grenzenlosigkeit nicht auch zwangsläufig ein Sicherheitsrisiko? Wie kann ein Land steuern, wer ein- und auswandert? Und wer überwacht den illegalen Import von Waffen oder Drogen, wenn es keine Grenzkontrollen mehr gibt? Die chaotischen Migrationsströme in Zeiten der Flüchtlingskrise aus 2015 zeigen die Grenzen der Grenzenlosigkeit. Sechs der 26 Schengen-Staaten haben seit 2015 die Regeln des Schengen-Raums außer Kraft gesetzt und wieder Polizisten zur Kontrolle an die Grenzen geschickt. Sie sahen sich nicht in mehr in der Lage, die vielen einreisenden Flüchtlinge ordentlich zu registrieren. Angst vor weiteren Terroranschlägen wurde zum zweiten Grund für die Einschränkung der Reisefreiheit. Das ist nur ein Beispiel davon, dass offene Grenzen und Reisefreiheit nicht immer positiv sein müssen. Schließlich führt der Kontrollverlust zu einem Sicherheitsrisiko, da nicht mehr überwacht wird, wer wann wo und womit in welches Land einreist. Die europäische Sicherheitspolitik sollte sich intensiver mit dem Thema auseinandersetzen und Lösungen für eine bessere Kontrolle präsentieren.

Bürokratie statt Demokratie

Für die Europäische Kommission arbeiten etwa 32.000 Beamte (für 500 Mio. Menschen) und 15 Mio. nationale Beamte. Das Europäische Gesetzbuch ist mehr als 50.000 Seiten dick. Schon an den Zahlen wird deutlich, dass die EU ein Gestrüpp aus Vorschriften, Regelungen und Eingrenzungen ist, die es zu definieren und überwachen gilt. Darunter befinden sich auch einige „schwammige“ oder „sinnlose“ Regelungen. Beispielsweise zu der Frage wie stark ein Bohrer rütteln darf (Arbeitsschutz-Richtlinie zu Vibrationen – RL 2002/44/EG) oder wie eine Leiter aufzustellen ist (Leiter-Richtlinie (2001/45/EG). Auch Regelungen zum Krümmungsgrad einer Banane oder einer Gurke scheinen eher witzig statt effizient. Die EU verliert damit an Glaubwürdigkeit und wird als lächerliches Bürokratie-Monster wahrgenommen. Dieser Beamtenapparat muss finanziert werden. Deshalb zahlen die Mitgliedsstaaten Beiträge an die EU. 2016 betrug der Nettobeitrag von Deutschland rund 13 Milliarden Euro. Damit war Deutschland, der mit Abstand größte Beitragszahler. Was haben wir also davon, dass wir so viel Geld an die EU zahlen und wirtschaftlich schwächere Länder mit finanzieren? Und was bringen uns die vielen, manchmal leichtsinnigen, Gesetzgebungen und Regelungen?

Wir sind schwerfällig und träge!

Die vielen Regelungen und Gesetze bedeuten nicht nur einen hohen bürokratischen Aufwand, sondern machen Europa auch träge. Denn die Regulierung und Zentralisierung behindert Freiheit und Wirtschaft. Wie kann Europa dynamisch auf länderspezifische, individuelle Bedürfnisse reagieren? Und wie frei sind die einzelnen Staaten in ihrem wirtschaftlichen Handeln noch? Schließlich geht es um die Koordinierung von 28 einzelnen Staaten. Dementsprechend komplex ist die Entscheidungsfindung. Beispielsweise braucht die EU durchschnittlich 15 Monate für ein Gesetz, wenn es in erster Lesung angenommen wird. Die Organisation innerhalb einzelner Staaten wäre um einiges schneller, agiler, effizienter und wirtschaftlicher.

„Zusammen“ ist das Gegenteil von „Individuell“

Offene Grenzen und die Zusammenarbeit von 28 Einzelstaaten. Das klingt nach einem tollen Projekt. Doch wie viel bleibt am Ende des Tages noch von den einzelnen Ländern übrig, wenn sie sich alle unter Europa vereinigen? Reisefreiheit und der offene Arbeits- und Binnenmarkt ermöglichen den Austausch von Kulturen. Jeder Europäer kann seinen Arbeits- oder Reiseort beliebig aussuchen und sich frei in der EU bewegen. Das führt zu einer Vermischung der Kulturen. Junge Menschen studieren in anderen Ländern, in den Sommerferien werden beliebte Urlaubsziele von Massentourismus heimgesucht und der offene Binnenmarkt ermöglicht das Einkaufen von internationalen Produkten im eigenen Supermarkt. Wie viel bleibt am Ende also noch von den nationalen Kulturen übrig? Wie „italienisch“ ist Rom noch? Was macht einen typischen Niederländer aus? Oder gibt es noch so etwas wie Gefühle von nationaler Identität, Zugehörigkeit und Stolz? Denn die Zusammenarbeit von 28 Ländern bedeutet auch das Vermischen von 28 Kulturen und damit den Verlust von Individualität und Einzigartigkeit.

Die obigen Punkte sind nur einige Beispiele aus einer Liste von Punkten die gegen Europa sprechen. Wir müssen uns mit diesen Problematiken auseinandersetzen und Antworten auf kritische Fragen finden. Unsere Argumente im Wahlkampf dürfen nicht nur unsere eigenen Überzeugungen widerspiegeln, sondern müssen auch Lösungen zu aktuellen Problemen liefern. Nur so können wir die Gegenstimmen von der europäischen Idee überzeugen und den Zusammenhalt innerhalb der EU sichern.


Über den Autor: Katharina Ostermann

Katharina Ostermann ist duale Marketing-Studentin bei Panasonic in Wiesbaden und seit November 2018 Mitglied der JuLis. Ihr erreicht sie unter ostermann_katharina@web.de.

 

 

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