Vom Sinn und Unsinn des Klimaaktivismus

Klimaaktivismus ist zur Zeit in aller Munde. Vor Jahren mit Fridays For Future so richtig in Fahrt gekommen, verläuft mittlerweile kaum eine Woche ohne Schlagzeile zu Klimaaktivismus. Seien es Dörfer oder Bäume, an die man sich kettet, seien es Straßen an die man sich klebt oder Hörsäle, die man für besetzt erklärt. Klimaaktivismus in dieser Form ist laut, präsent und in aller Munde. Viele von uns halten diese Form des Aktivismus für schädigend, manch ein Radikaler mag auch von Terrorismus reden. Aber ist dieser Aktivismus wirklich unsinnig, ja gar schädlich?
Was ist Aktivismus überhaupt? Karl Popper beschreibt Aktivismus als “Die Neigung zur Aktivität und die Abneigung gegen jegliche Haltung des passiven Hinnehmens”. In der politikwissenschaftlichen Betrachtung unterscheidet sich der Aktivist von einem Politiker dadurch, dass er den Weg der direkten politischen Partizipation verweigert und auf informelle Art und Weise seine politischen Zielsetzungen verfolgt. Oder zu gut deutsch: Ein Aktivist versucht “über die Bande”, durch eine große Öffentlichkeit, einen so hohen politischen Druck zu erzeugen, dass seine Ziele umgesetzt werden. Aktivismus kann als Einzelperson und in Gruppen vollzogen werden, (in-)formelle Zusammenschlüsse vieler Aktivisten werden auch als “Soziale Bewegung” bezeichnet. Ordentliche Zusammenschlüsse können sich auch zu Nichtregierungsorganisationen weiterentwickeln.
Klimaaktivismus sind also Handlungen, die dem Zweck dienen, Aufmerksamkeit für die vermeintliche Apokalypse zu erzeugen, auf die die Politik reagieren muss. Und um das vorweg zu nehmen: Um von Terror zu reden, muss eine systematische, gewalttätige und gezielte Verbreitung von Angst und Schrecken vorliegen. Dieser Umstand scheint – zumindest bisher – nicht erfüllt zu sein, eine Radikalisierung bis hin zum Terror ist allerdings nicht auszuschließen. Sollte dies der Fall sein, ist die Schlussfolgerung, dass es sich bei allen dann unisono um Terroristen handelt, im Hinblick auf Schule-schwänzende-Pubertierende, ebenso abstrus, wie hinfällig. Abernun zurück zur Ausgangsfrage: Ist dieser Aktivismus sinnvoll? In der Betrachtung der letzten Jahrzehnte deutscher Politik lässt sich nicht abstreiten: Klimaaktivismus war sehr erfolgreich. Der Atomausstieg, die Unterbietung der politischen Wettbewerber um das früheste Ausstiegsjahr aus fossilen Energieträgern, Aufmerksamkeit für Aktionen und Personen, sind nur einige Punkte, die maßgeblich durch Klimaaktivismus entstanden oder forciert wurden. Die genannten Beispiele haben allerdings eine Gemeinsamkeit:
Es wurden neue Politiken angestrebt oder umgesetzt. Hier war der Aktivismus erfolgreich, vor allem auch, weil er breite Bevölkerungsschichten erreichen konnte. Diese Punkte sind sicherlich nur im Hinblick auf die reale Umsetzbarkeit, den richtigen Zeitpunkt und die Verfügbarkeit innovativer Technologien diskutabel. Dass es aber sinnvolle Ziele sind, ist nicht zu bestreiten. Im Umkehrschluss bedeutet diese Feststellung aber auch, dass die fundamentalen Ziele der Klimabewegung schon implementiert sind. Daraus folgt, dass jede weitere Form des Aktivismus, entweder radikalere Ziele, radikalere Vorgehensweisen oder die Verhinderung demokratischer Entscheidungen, wenn nicht alle drei, aufweisen wird. Damit sinkt nicht nur die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs, denn je weniger Menschen die Ziele teilen, desto unwahrscheinlicher wird ihre Implementierung, damit wird sich der Blick der Öffentlichkeit auf die Radikalen fokussieren. Die zugrundeliegende Medienlogik sorgt dann dafür, dass gemäßigte Teile der Bewegung weniger Aufmerksamkeit erlangen und sie subjektiv vor der Wahl der Bedeutungslosigkeit und der Radikalisierung stehen. Mehr noch: Diese Logik wird in weiten Bevölkerungsschichten eine Verallgemeinerung der Bewegung hervorrufen. Unter denen, die noch dabei sind, wird das dafür sorgen, dass das “Wir-Gegen-Die-Gefühl” stärker wird, sinnstiftende Narrative entwickelt und sich weiter radikalisiert wird. Häufig weisen die daraus resultierenden Gruppen faschistoide Denkweisen – eben dass der Zweck jegliche Mittel heilige – auf und es lässt sich keine klare Organisationsstruktur erkennen.
Die Bewegung besteht aus vielen verschiedenen Gruppierungen, die sich lediglich hinsichtlich der Fülle ihrer Ziele und in der Radikalität der Umsetzung dieser unterscheiden. Diese Gruppen arbeiten nicht mehr auf ein Ziel hin, sondern kooperieren wechselseitig oder bezichtigen sich gegenseitig der Schädlichkeit für die eigenen Vorhaben. Diese Betrachtungen werden auf den Leser aktuell wirken und doch sind sie auf diese Weise schon dutzendfach abgelaufen. Die Folge dieser Wechselwirkungen ist eine Spirale der Radikalisierung, die in der Abkehr von demokratischen Prinzipien und der Anwendung von Gewalt, wie auch Straftaten, zur Zielverfolgung mündet. Kurzum: Die Ausformung des Klimaaktivismus die wir heute erleben – sprich die Besetzung von Universitäten, das Blockieren von Straßen und Wäldern und die “Angriffe” auf Kunstwerke, durch immer neue gleichklingende und immer noch radikalere Gruppen – ist die Abkehr von der Sinnhaftigkeit. Er gibt sich der unüberwindlichen Spirale der Radikalisierung und Spaltung hin, er zelebriert sie gar und untermauert damit seine Verkommenheit. Und das tun seine Verfechter so weit, dass sie letztlich ihren eigenen Zielen schaden, Wasser auf die Mühlen ihrer politischen Gegner gießen und Mitstreitern einen Bärendienst erweisen. So ist es nicht verwunderlich, dass mit zunehmender Radikalisierung und Zersplitterung die Teilnahmen an Demonstrationen und so weiter rückläufig sind.
Der Klimaaktivismus hat sich selbst auf der linken Spur überholt. Und wenn mich jetzt jemand nach dem Sinn und Unsinn des Klimaktivismus fragte, so würde ich ihm entgegnen, dass er es in den letzten 5 Jahren vermochte, zu erst den Sinn der alten Bewegungen aufzugreifen und zuverstärken, nur um ihn daraufhin in Unsinn zu verklären und das alles in einer so hohen Geschwindigkeit, dass es ihm selbst nicht einmal aufgefallen ist.