Für einen Liberalismus auf breiter Basis

Als ich mich damals entschied, bei den JuLis Mitglied zu werden, tat ich dies nicht einfach aus politischer Überzeugung, sondern weil meine Argumente immer mit offenen Ohren aufgenommen wurden; man suchte immer nur das beste Argument – eine Qualität, die ich bei anderen Jugendorganisationen bitterlich vermisste. Es gibt keine politische Jugendorganisation, die inhaltlich so divers ist wie die Jungen Liberalen. Wir haben über 1.500 Mitglieder mit über 3000 Meinungen, die sich für die liberale Sache einsetzen. Ein breites Meinungsspektrum bringt viele Diskussionen und sicherlich auch teils Probleme mit sich, aber es ermöglicht jedem Mitglied, sich umfassend zu informieren und sich frei seine eigene Meinung zu bilden. Ganz gleich, mit wem man diskutiert, nahezu jede Person in unserem Verband vertritt Positionen, die einen immer wieder überraschen, weit weg vom klassischen JuLi-Klischee.

Und auch nahezu all diese Positionen sind bei den Jungen Liberalen willkommen und werden respektvoll und sachorientiert diskutiert, solange sie nicht menschenverachtend, rassistisch, sexistisch, antisemitisch oder mit den Grundsätzen der Bundesrepublik unvereinbar sind. 

Natürlich ist ein Verband kein stabiles Konstrukt, er entwickelt sich mit seinen Mitgliedern. Von meinem Beitritt zu den JuLis während die FDP noch in der außerparlamentarischen Opposition war über 4 Jahre Opposition im Bundestag sind wir nun seit über einem Jahr in der Bundesregierung angekommen – eine Entwicklung, die natürlich auch an den Jungen Liberalen nicht spurlos vorbeigegangen ist. Doch leider merkt man von diesem Erfolg nicht immer gleich viel, insbesondere die schwachen Umfragen und Landtagswahlergebnisse führen teils zu Resignation und einem verschärften Umgangston untereinander. Statt sich enger zusammenzustellen und gemeinsam für die liberale Sache zu kämpfen, suchen manche Personen den verbandsinternen Konflikt und die Spaltung. Die starken Ergebnisse hat man noch zusammen gefeiert, doch für die schwachen Umfragen will auf einmal keiner mehr verantwortlich sein. Ich liebe diesen Verband, und ich liebe seine Vielfalt, doch die Akzeptanz und Diversität werden leider nicht immer so gelebt, wie ich es mir wünschen würde. Eben diese Entwicklung ist es, die mich dazu bewegt hat, auf dem letzten Landeskongress als zweite Ombudsperson zu kandidieren.

Diversität und Akzeptanz lassen sich nicht erzwingen, man kann sie aber gezielt fördern und unterstützen.

Also nochmal zurück zum oben erwähnten JuLi-Klischee – weiß, überwiegend männlich, studiert (meist BWL oder Jura) und kommt aus gutem Elternhaus, kurzum: privilegiert. In jedem Klischee steckt auch immer ein Fünkchen Wahrheit, und wir sollten hinterfragen, woher das kommt. Die JuLis stehen für Bildung, für gesellschaftlichen Aufstieg und die Chancengesellschaft. Woran also liegt es, dass wir nach wie vor in erster Linie Menschen erreichen, die vermeintlich schon „oben“ sind? Meine These ist, dass wir ein unfassbar breites Spektrum an Menschen erreichen, man auf Landeskongressen und bei JuLi-Stammtischen aber nur diejenigen sieht, die auch dabeibleiben. Genau das ist es also, woran wir arbeiten sollten – wir müssen interessierte Personen und Neumitglieder besser erreichen, einen niedrigschwelligen Eintritt ermöglichen und ihnen so unsere Begeisterung vermitteln, damit sie auch dabeibleiben. Dazu gehört die Verantwortung jedes einzelnen Mitgliedes – egal ob bei einer Veranstaltung der JuLis oder außerhalb, wir sind ein Aushängeschild für unseren Verband und sollten uns immer auch für das Bild, das wir nach außen porträtieren, mitverantwortlich fühlen. Wer mich kennt, weiß , dass ich harte politische Debatten liebe und auch oft Meinungen vertrete, die bei den JuLis eher unter die Mindermeinungen fallen. Gerade deshalb bin ich mir stets der Tatsache bewusst, dass insbesondere bei allen inhaltlichen Differenzen auf einen respektvollen Umgang und einen fairen Ton untereinander geachtet werden muss, denn wenn die Diskussion vorbei ist, sind wir am Ende des Tages alle eines: Kämpfer für die liberale Sache.


Über den Autor: Jacob Wolf

Jacob Wolf ist eine der zwei Ombudspersonen der Jungen Liberalen Hessen und Dein vertraulicher und neutraler Ansprechpartner für soziale und innerverbandliche Konflikte und anderweitige Beschwerden. Zu seinen Aufgaben zählt auch, die Einhaltung des Code of Conduct und der Beschlusslage durch den Landesvorstand laufend zu prüfen. Du erreichst ihn jederzeit unter jacob.wolf@julis.de.

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