Bewegung im Recyclingmarkt – Wie innovative Technologien die Branche voranbringen können

Recycling ist ein hochkomplexes Thema. So verschieden, wie unser Müll ist, der Verpackungen jeglicher Art, Batterien, Elektrogeräte, Textilabfälle oder auch organische Abfälle beinhalten kann, so verschieden sind auch die Ansätze dieses Problem zu lösen, um EU-Richtlinien einzuhalten. So sollen innerhalb der EU bis 2035 65% aller Siedlungsabfälle (umfasst Papier und Karton, Glas, Metall, Kunststoff, Biogut, Holz, Textilien, Verpackungen, Elektro- und Elektronikgeräte, Batterien und Akkus sowie Sperrmüll) recycelt werden. Außerdem müssen in der EU 2025 65% aller Verpackungsabfälle recycelt werden, 2030 sogar 70%. Darüber hinaus gibt es genaue Vorgaben für einzelne Verpackungsmaterialien. Bis 2025 müssen mindestens 50% der Kunststoff- und 75% der Papierverpackungsabfälle recycelt werden, schreibt eine EU-Richtlinie vor. Das deutsche Verpackungsgesetz gibt sogar noch strengere Ziele an. So müssen laut dem Gesetz bereits 2022 mindestens 63% der Kunststoff- und 85% der Papierverpackungen recycelt werden. (2)

Wenn man diese Gesetze und Vorgaben einmal mit dem Status Quo abgleicht, sieht man schnell, dass es hier noch eine große Lücke zwischen Vorstellung und Realität gibt. Während die europäischen Recyclingquoten bei Altpapier bereits seit 2012 relativ konstant um die 71,4% liegen (EU Vorgabe: 75% aller Papierverpackungsabfälle bis 2025) (3), zeigen sich vor allem beim Recycling von Kunststoffverpackungen große Abweichungen zu den Zielen von verschiedenen Ländern, der EU und auch zu den Zielen der Unternehmen selbst. So kündigten Ferrero und Danone an, bis 2025 50% recyceltes PET in ihren verkauften Flaschen einzusetzen. 2020 lagen die Werte bei 0% (Ferrero) und knapp unter 20% (Danone). (4) Auch die Vorgaben der EU scheitern bislang. So wurden 2018 lediglich 32,5% der europäischen Kunststoffabfälle recycelt (EU-Vorgabe: 50% der Kunststoffverpackungsabfälle bis 2025). Der Großteil des Kunststoffmülls wird bislang zur Energiegewinnung genutzt oder landet auf der Deponie (5), was im Durchschnitt mehr Emissionen emittiert als Recyclingverfahren.

Während also Papier, Glas oder auch Biomüll bislang sehr gut recycelt werden kann und die Quoten hierbei generell hoch sind, steigen die Recyclingquoten beim Kunststoffrecycling bislang kaum. Grund dafür sind vor allem die Kunststoffverpackungen. Gerade in der Lebensmittelbranche und im medizinischen Bereich gibt es sehr strenge Vorschriften an Verpackungen. So müssen diese beispielsweise gut isolieren und dürfen nicht durchlässig oder mehrschichtig sein. Außerdem spielen Designfragen eine Rolle und Unternehmen möchten die Produkte ihren Kunden möglichst ansprechend präsentieren. In der Medizin ist die Verwendung alternativer Materialien schwierig umsetzbar, da hier besonders hohe hygienische Ansprüche herrschen. All diese Anforderungen an Verpackungen führen dazu, dass es beim Recycling der Verpackungen problematisch wird. So können „Multilayer Plastics“ (mehrschichtige Verpackungen bestehend aus verschiedenen Kunststoffsorten), die eingesetzt werden, um beispielsweise flexible Verpackungen für Lebensmittel zu erhalten, in herkömmlichen mechanischen Recyclingverfahren nur schwer voneinander getrennt werden. Außerdem werden schwarze Kunststoffsorten von Lasersensoren in Sortieranlagen nicht erkannt und dadurch nicht oder falsch sortiert. Herkömmliche mechanische Recyclingverfahren mit ihren Sortieranlagen stoßen bei diesen Problemen an ihre Grenzen.

Um diese Probleme zu lösen, entstanden in den letzten Jahren neue Recyclingmethoden, die sich unter dem Begriff „Chemisches Recycling“ zusammenfassen lassen. Beim chemischen Recycling werden die Kunststoffe durch verschiedene chemische Vorgänge in ihre Grundbausteine aufgespalten. Dadurch lassen sich beispielsweise Multilayer Kunststoffe voneinander trennen und schwer verschmutzte Kunststoffe besser recyceln. Große Player wie Covestro und BASF arbeiten eng mit innovativen Startups zusammen und treiben chemische Recyclingtechnologien voran. Jedoch besteht in diesem Bereich noch viel Forschungsbedarf bis zur Marktreife, während der Druck steigt, kostengünstige, marktreife Lösungen zu finden, in Hinblick auf die voranschreitende Erderwärmung und die ambitionierten Emissionsziele innerhalb der EU. Ein Ansatz, der die Sortierung von Kunststoffen erleichtern soll, ist das Holy Grail Projekt, bei dem digitale Wasserzeichen verwendet werden, um den Sortierprozess zu optimieren. Unter anderem Amazon, Procter & Gamble und Nestlé unterstützen das Projekt. Viele Startups und große internationale Konzerne investieren hohe Summen in Recyclingtechnologien. Wir sehen viele verschiedene Lösungsversuche und sehr viel Bewegung im Markt. In den nächsten Jahren werden wir daher noch einige Innovationen, neue Wettbewerbsdynamiken und aufsteigende Startups miterleben. Doch bevor man versucht, all diese Probleme über den Weg des Recyclings zu lösen, sollte vielleicht umgedacht und bereits bei der Müllentstehung angesetzt werden. Weniger Konsumieren, weniger Müll produzieren und Verpackungsdesigns vereinfachen, um mit aktuell bestehenden Technologien und der bestehenden Infrastruktur so viel Abfall wie möglich zu recyceln.


Über den Autor: Jan Leopoldseder

Jan ist Student der Wirtschaftspsychologie. Er interessiert sich vor allem für mentale und körperliche Gesundheit, Online Marketing und Nachhaltigkeit. Bei den Jungen Liberalen möchte er insbesondere dabei helfen, den Klimawandel durch technologische Innovationen und geschickte Marktregulierung zu bewältigen und echte Nachhaltigkeit in Startups und Konzernen zu verankern. Ihr erreicht ihn unter: jan.leopoldseder@gmx.de

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