OHNE GENSCHER – PLÄDOYER FÜR EINE AMPELKOALITION

Hans-Dietrich Genscher, den Vorkämpfer der Abrüstung und einflussreichen Staatsmann, die Personifikation von Liberalismus, Wiedervereinigung und Zukunft der FDP, quasi das Gute selbst- in Frage stellen bedeutet das diese FDP endgültig rechts liegen zu lassen, oder es sozusagen teilen die bereits leicht zeitig anzulegen? Und wieso eigentlich Genscher, wo es doch noch ganz andere gäbe?

Ganz einfach. Erstens wollen wir seine hohen Verdienste und noch höhere popularitäts Werte nicht schmälern. Genscher wäre z.b. ein erstklassiger Bundes (oder wie man sagt?) Reichspräsident. Zweitens ist die FDP dabei zur ein Mann Veranstaltung zu werden das liegt zwar eher an der Durchschnittlichkeit anderen, aber für eine kleine liberale Programmpartei kann das trotzdem keine Wunschvorstellung sein.
Will mann drittens zu dem schönen Vorhang zurückkehren, mehr Demokratie zu wagen, ist der fehlende Genscher-Ersatz nicht unbedingt ein Nachteil. Gerade der Verzicht auf starke Führung zugunsten etwa eines Triumvirats profilierter Fachleute könnte ein Modell emanzipierter Parteistruktur beginnen. Viertens ist eben Genscher die Schlüsselfigur derzeitiger Verkrustungen und Ausrichtung. Wer ist Lambsdorff? Mehr Liberalismus, mehr Demokratie ist aber wohl mit der derzeitigen Parteiführung nicht zu machen und erfordert fünftens sowieso einen Generationenwechsel.

Was verbinden wir eigentlich mit Genscher als Außenminister? Ein Nachruf: Die Ostverträge lagen zu seiner Zeit. Genscher war ein Mann der Diplomatie, der Vertragserfüllung und der Routine nach den Glanzpunkten. Er ging den mehr oder weniger vorgegebenen Weg der ersten Entspannungsphase, der erneuten Aufrüstung (NATO Doppelbeschluss!) einschließlich der jüngsten öffnen mit.
Besondere Ideen sind von ihm nicht erinnerlich, und wenn er sich profilierte, dann was leicht ist, gegen Betonköpfe. Allerdings ehrenvoller Weise auch gegen solche, die in der eine Welt Problematik mauern, später konnte er seinen immensen Erfahrungsbericht als dienstältester wesentlicher Außenminister gelegentlich wirksam ausspielen.

Und weil er einfach immer da war ist ja allmählich zu seinem eigenen Denkmal kristallisiert welche andere Partei hat in ihrer Mitte einen noch amtierendes Denkmal aber wenn wir uns heute in der Welt umschauen liegen die alten Helden vielfach in Schutt und Asche. Honecker! Ceausescu! Pinochet! Andere alte Helden sind wieder da Mandela, Dubeck, Brand! Es bewegt sich einiges in der Politik und alte Beweger sind zurückgekehrt.
In der Tat besteht jetzt die große Chance wirksam deutsche und europäische Interessen zu vertreten und auch umsetzen zu können. Der Mut zum vordenken der zu auch-moralisch statt nur pragmatischen Handeln ist wieder gefragt.
Nach sechzehn erfolgreichen Dienstjahren können wir Hans-Dietrich Genscher die auskosten des westlichen Triumphes wirklich gönnen. Aber die Gestaltung neuer Ordnung sollte er inzwischen, unbestritten an Gipfel angelangt, neuen Leuten überlassen. Der einschnitt wäre günstig.

Zum zweiten müsste endlich der neue politische Stil aufgegriffen werden, denen vor allem die Grünen den erstaunten etablierten vorführen. Das viele mauscheln und die trügerischen Paketlösungen satt- die Erinnerung ans liberale war Schule namens Flick sollte wach bleiben- ist in der Bevölkerung längst ein Bedürfnis nach Offenheit, Ehrlichkeit und Demokratie von unten entstanden. Zu Recht natürlich.

Das Verhältnis der Bürger zu Staat und Parteien wird aber wohl nur dadurch wieder zu verbessern sein, dass der Kontakt zu den Randgruppen, den Bürgerinitiativen und zivilen Ungehorsamkeiten gesucht wird und zugleich Schritte gegen die Abgehobenheit getan werden. Wie damals in Hamburg Klaus von Dohnanyi der Hafenstraße eine Chance gab. Die Liberalen Beweger sind noch nicht zurückgekehrt
Die notwendigen neuen Themen aufzugreifen, einen neuen politischen Stil zu finden und die Aufklärung gegen den rechten Mystizismus zu retten, das alles wird nur mit Oskar zu machen sein. Weil dies aber zweifellos die Themen der Zukunft sein werden, wäre es für die FDP als Vernunftpartei geradezu existenziell wichtig, hier gedankliche Vorarbeiten zu erbringen und politische Konsequenzen zu ziehen. Wir dürfen den Zug nicht schon wieder verpassen. Das Versagen des Liberalismus ist für meine Begriffe eine der Hauptursachen für das Aufkommen von Grünen und Republikanern. Günter Verheugen hat der Partei vorgeworfen zur Interessenvertretung der Wirtschaft geworden zu sein, die den Kontakt mit liberalen Bedürfnissen in der Gesellschaft verloren hat. Kann sein dass er Recht hat, Das er aber mit den ,,vom rechten Flügel hochgeäppelten Jungen Liberalen“ jedenfalls inzwischen falsch liegt, das gilt es gerade erst zu beweisen. Diesmal geht’s ums Ganze, diesmal Ampelkoalition.

Journal Liberal Ausgabe 12, Juni 1990

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